Probelemma kush int./rel./indef. Pronomen 'wer'

Standard-Albanisch

Auswahl Wortschatz (Mehrfachwahl möglich):

Auswahl Wortart (Mehrfachwahl möglich):

Quelle: Demiraj, Bardhyl / Hackstein, Olav (2020): KUSH. In: DPEWA. DB 1 (2019.2)
(URL: https://www.dpwa.gwi.uni-muenchen.de/search)


Zusammenfassung

Querverweise

↑QYSH ↑KU ↑KUND ↑KUR


Abkürzungsverzeichnis

kush int./rel./indef. prn. 'wer'

Standard-Albanisch


Erste Überlieferung

BuM 1555

BuM 30vb: Ti kush je?; BuM 48ra: [...] përket muo me e dhanë, ma kuj të jetë dhanë ën Atit sim.; BuM 16rb: Përse ëndë mort s ashtë kush të bjerë ëndë mend për tȳ. [BD]


Sprachgeographische Verbreitung

Über alle Regionen und Perioden verbreitet.


Formen: Paradigmatische Verhältnisse und Stammvariationen

Gegisch
m./f.sg.n kush BuM 68va; 32va; BuD1 8 15; 9 5; BoC1 I-2 3
m./f.sg.a kana BuM 21va; 38va; 55ra; 57vb
kanāj BuD1 66 25; BuR 25 07; BuS 128 17
kand BoC1 I-108 2; CuA 44 31; 55 5; 66 31
m.f.sg.d/abl./g. (i/e/të) kuj
BuM 22va; 38ra; BuR 306 26; BoC1 I-94 20; 106 19
kūj BuR 106 4
(të) kujnaj

BUM 21va; 22vb; BoC1I-48 59; 54 24

(të) kūjnaj

BuD1 9 8; 55 6

(Substantiviert - auch alleinstehend - als attributives Vorderglied einer NP)

nt. sg.n.b. (të) kujtë BuM 81vb
m.sg.a.b. (të) kujët BoC1 I-74 31
m./f.sg.d.b. kujnajtë BuM 50va
m.sg.abl.b. (së) kujit BoC1 I-14 36; 112 47
m.pl.n.b. (të) kujëtë BoC1 I-175 16
f.sg.n.b. (e) kuja BoC1 I-59 35; 105 12; BoC1 II-89 19
BeK 99 3
f.sg.g.b. (së) kūjsë BuD1 39 12
f.pl.n.b. (të) kūjatë BuD1 51 12
(të) kujatë BoC1 I-117 27; BoC1 II-75 40

Toskisch
m./f.sg.n. kush BeK 98 12; 98 19; KaH 1 3; 1 31
m./f.sg.a KaH 2 35; 4 71; 4 110; 5 93
m./f.sg.d./abl./g. kujit KaH 5 106; 24 34

Arbëresh
m./f.sg.n. kush MaD1 5r2; VaG 3
m./f.sg.a VaG 42; 55; 64
m./f.sg.d/abl./g kūj VaG 20; 27; 53

Anmerkung

Genusdifferenzierte und definite Wortformen dieses mehrfunktionalen Pronomens kommen grundsätzlich nur positionsbedingt als erstes Glied einer NP (oder stellvertretend für eine NP) vor, das wie üblich die grammatischen  Marker für die gesamten al. NP auf sich trägt. (Sh. Demiraj GHGJSH 545ff.) [BD]


Bedeutung

ʽwerʼ (nur auf Belebtes, d.h. auf Personen bezogen)

  1. <Interrogativpronomen: fragt unmittelbar nach einer oder mehreren Personen>: BuM 12va: Kush të ëmbahetë përpara faqesë ftofëtit tī?; BuD1 126 12: Praashtu kush ashtë farmakuom me këtë mkat [...]?; MaD1 38v 13: Kush ishtë ndë mistīrt shejt të kunkimit?

<Interrogativ: kennzeichnet eine rhetorische Frage, auf die keine Antwort erwartet wird>: BuM 12rb: Kush anshtë porsi Zotynë Zot?; BoC1 I-81 32: Kush âshtë verbëtë, veçë shërbëtori em?

  1. <Relativpronomen: bezeichnet in Relativsätzen, die sich auf Personen beziehen, diejenige Person, über die im Relativsatz etwas ausgesagt ist>: BuM 84/1ra: Kush do gjellënë e vet, aj ta bdjerë.; BoC1 56 50: Kush kërkon të naltëtë, mbytetë ngushëllimesh.
  2. <Indefinitpronomen: irgendjemand; jemand Besonderes>: BuM 21vb: E kush ëmbë këtë mëndyrë kā fëjyem, fëjyem kā [...]; MaD1 5r 6: E lum kush e kujton se kā të vdesë.
[BD]

Interne Rekonstruktion der uralbanischen Vorstufe

Die lautliche Rekonstruktion von (a)alb. kush weist am ehesten auf eine univerbierte Satzstruktur uridg. *kosso im Satzsandhi oder uridg. *kos sos in satzfinaler Stellung (Pausa-Stellung) hin, mit adjektivischem Interrogativum uridg. *kos ‚welcher‘ (Klingenschmitt 2005: 358 Fn. 11, Hackstein 2004c: 276, Matzinger 2006: 72, 112) gegenüber substantivischem i-Stamm uridg. *kis ‚wer‘ gefolgt vom Demonstrativum uridg. *so(s). Zur syntaktischen Unterscheidung von *so (satzintern) und *sos (in Pausa, d.h. am Satzende), s. Wackernagel KS I 176–178 und Strunk 1987: 328. Die in der Albanologie erwogene, alternative Rekonstruktion mit uridg. *kus (s. die ältere Literatur bei Demiraj AE 228 und Topalli FEGJSH 847–848) empfiehlt sich nicht, da der interrogative u-Stamm, uridg. *ku-, lokale Bedeutung besaß und keine personale. Im Albanischen entwickelte sich uridg. *kos =so über voruralb. *kus=sa > *kuśśǝ zu (a)alb kush, vgl. Schumacher/Matzinger VAABW 213, 264, mit lautlichem Übergang von *-o- > *-u- im Wortauslaut vor alveolarem Frikativ -s wie in anderen indogermanischen Sprachen, vgl. aksl. (vgl. Majer 2011, Olander 2012), lat. -us aus uridg. *-os. Das Unterbleiben des uralb. Schwunds von postvokalischem *s im absoluten Wortauslaut bei *kos findet im Wortsandhi und der frühen Univerbierung des zugrundeliegenden uridg. *kos so seine Begründung. [OH]


Herkunfstbestimmung und innersprachliche Anschlüsse

Uridg. *ko-s + *so ‚wer (ist) dieser‘ [OH]

Vergleichsmaterial im urindogermanischen Kontext und Feststellung der Grundform

Die lautliche Rekonstruktion alleine erweist sich für die Rekonstruktion des alb. Interrogativum-Indefinitpronomen kush als nicht hinreichend. Vielmehr bedarf es zur Motivierung der lautlich rekonstruierbaren Struktur uridg. *kos so zusätzlich der syntaktischen Rekonstruktion. Der Sprachvergleich legt das Vorliegen einer erstarrten Satzstruktur nahe. Es handelt sich um die Petrifizierung eines Fokalsatzes ‚Welcher ist der?‘, generalisiert aus seinem häufigen Vorkommen entweder als selbständiger Interrogativsatz oder als extrafokaler Teil eines Spaltsatzes (cleft interrogative). Alb. kushkonserviert in dem Fokalsatz uridg. *kos so das syntaktische Merkmal des kopulalosen Nominalsatzes. Wh-cleft-Nominalsätze wurden über prosodische Univerbierung, syntaktische Desententialisierung als neue komplexe Interrogativa morphologisiert. Derselbe Prozess wird auch durch aksl. kŭto und tocharisch B kuse (zu letzterem s. Hackstein 2001: 32–33) vorausgesetzt, und es gibt darüber hinaus viele weitere typologische Parallelen innerhalb und außerhalb des Indogermanischen, s. hierzu die Sammlung bei Hackstein 2004a: 348–356, Hackstein 2004b: 94–103, Hackstein 2004c: 267–283, Hackstein 2016/17: 225–227 sowie zum Armenischen Kölligan 2006: 113–119: uridg. *kos so(s) > alb. kush, uridg. *kos tod? > aksl. kŭto, uridg. *kis so(s)? > toch. B kuse ‚wer, was‘ (Hackstein 2001: 32–33, vgl. frz. Qui est-ce qui …?em>), uridg.*kid tod > aksl. čĭto. Die angenommene Univerbierung von Spaltsätzen aus Interrogativum und Demonstrativum erklärt zwei Anomalien, erstens die Beschränkung der Erweiterung des Interrogativstammes um den Demonstrativstamm auf den Nominativ, die aus der Funktion des Demonstrativum als nominativisches Prädikatsnomen folgt (s. Hackstein 2004c: 279), zweitens den Schwund des auslautenden *-s des Interrogativstamms in *kos tod, der *kos als freie Form mit regulärem s-Schwund im absoluten Wortauslaut voraussetzt. Die freie Form ist noch im Indefinitium aksl. kŭ-žĭdo fortgesetzt. Dieses geht möglicherweise auf (spät-)uridg. *kos ghido(r) ‚who(ever) is wished, desired‘ (Majer 2012) zurück, welches “conserve l’ancienne forme du Nom.sg. (<*kos)” (Le Feuvre & Petit 2009: 77). Der vorausgesetzte syntaktische Typ des univerbierten Fokalsatzes und seiner Verallgemeinerung als komplexes Interrogativum ist noch im Lateinischen, Altgriechischen, Tocharischen, Altarmenischen (zu letzterem Kölligan 2016: 117–119) und biblischem Hebräischen belegbar. So ist z.B. uridg. *kis so wie durch tocharisch B kuse vorausgesetzt in gr. tís d’hóde Nausikáai hépetai? ‚Wer aber (ist) dieser [der] der Nausikaa folgt?‘ (Hom. Od. 6,276) belegt. Des Weiteren wird uridg. *kid todwie durch aksl. čĭto vorausgesetzt in gr. tí tout’enóēsen alḗtēs? ‚Was [ist] das [, was] der Wanderer bemerkt hat?‘ (Hom. Od. 17,576) belegt. Vgl. ähnlich auch uridg. *kid kod in lat. Quid quod sapientissimus quisque aequissimo animo moritur ...? ‘Was [ist damit], das(s) gerade die Klügsten mit größtem Gleichmut sterben …?’ (Cic. de Senect. 23,83). [OH]


Literatur

Tagliavini AD 165; Pok. 647: St. *kwu-; Çabej SGJ I 302f. *kwu-so-, vgl. toch. B. Interrogativ.-/Relativpron. kuse; Huld BAE 84; Orel Sprache 31 [1985] 280; LB 30 [1987] (1) 58f.